UNESCO-Welterbe Bauhaus in Bernau
Bernau und sein UNESCO-Weltkulturerbe
Wir hoffen, allein durch den Inhalt und die Art unseres Angebotes hinreichend bewiesen zu haben, wie hoch wir die allgemeine Bedeutung des vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund geplanten Kunstwerkes einschätzen." Diese Worte stehen am Ende eines dreiseitigen Schreibens des Bernauer Magistrats an den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) vom 15. Januar 1928. Das Schreiben scheint bei den Arbeitnehmervertretern Eindruck gemacht zu haben, denn der ADGB wählte Bernau zum Sitz seiner wichtigsten Bildungsstätte aus.
Auf Betreiben des damaligen Bürgermeisters Oswald Gericke war die Stadt den Gewerkschaftern sehr entgegengekommen – insbesondere beim Grundstückspreis, aber auch hinsichtlich der
Zufahrten sowie der Ver- und Entsorgungsleitungen. Der ADGB entschied sich bei seiner geplanten Bildungsstätte wiederum für den Entwurf der Bauhäusler Hannes Meyer und Hans Wittwer und hatte damit zwei fortschrittliche Architekten gewonnen, die den Aufbruch in eine bessere Zukunft zu ihrem Credo gemacht hatten.
„Volksbedarf statt Luxusbedarf"
In diesem Motto gipfelten häufig die Schriften des gebürtigen Schweizers Meyer, der sich innerhalb des Bauhauses zunehmend kritisch zu den Entwicklungen der Schule äußerte. Während in Großstädten wie Wien oder Frankfurt im großen Stil Wohnungsbauprogramme für die weniger Wohlhabenden umgesetzt wurden, stand das Bauhaus in dieser Frage zunehmend abseits – es hatte sich anscheinend innerhalb weniger Jahre zu einer intellektuellen Spielwiese für Besserverdienende entwickelt. Ab 1. April 1928 dann trat Meyer die Nachfolge von Walter Gropius als Direktor des Bauhauses an, strukturierte Arbeit und Lehre um, verstärkte die Zusammenarbeit mit der Industrie und begann, die Schule wieder auf den ursprünglichen Gedanken vom besseren Leben für alle zu verpflichten. Er verortete sich selbst politisch weit links – nicht umsonst wird die Phase seiner Direktorenschaft „das rote Bauhaus" genannt (die 1930 schon wieder ihr Ende
fand). Genau zu dieser Zeit – von 1928 bis 1930 – baute Meyer zusammen mit Hans Wittwer die Bundesschule in Bernau-Waldfrieden. Bereits am 1. August 1930 wurde der Eidgenosse vom Dessauer Stadtdirektor (dort hatte die Bauhaus-Bewegung damals ihren Sitz) wieder von seinem Direktorenposten entlassen. Dadurch ist die Bundesschule in Bernau nicht nur das wichtigste Gebäude aus der Ära des roten Bauhauses, sondern auch ein einzigartiges Vermächtnis der Ideen
Meyers und Wittwers.
In die Landschaft eingepasst
Innerhalb von zwei Jahren errichteten die beiden Architekten in Bernau einen Gebäudekomplex, der sich auf natürliche Weise in die Umgebung einfügt und den Menschen, die in ihm lernen, lehren und leben, ideale Bedingungen verschafft. Schlicht erscheint der Zweckbau und folgt somit ganz dem Prinzip, dem sich Meyer verpflichtete: Demnach ist der Architekt nicht Künstler, sondern schlicht Organisator. Doch nicht nur architektonisch, sondern auch in der Innenausstattung sollte sich alles an den Bedürfnissen der Benutzer orientieren. So wurden auch die Möbel für die Gewerkschaftsschule komplett neu entworfen. Am 4. Mai 1930 konnte die Bundesschule eingeweiht werden – ein großer Tag für die Stadt. Das Ereignis wurde gefeiert und der Festumzug bewegte sich über etwa fünf Kilometer vom Bahnhof bis nach Waldfrieden
Dunkle Jahre und Neubeginn
Doch die Freude des ADGB währte nur kurz. Nach nicht einmal drei Jahren wurden die Gewerkschaften am 2. Mai 1933 von den neuen Herrschern verboten, die Bundesschule zweckentfremdet und der Gebäudekomplex in Schmähartikeln als „Protzbau" diffamiert. Genutzt wurde er trotzdem: Nun hielt die Reichsführerschule der NSDAP, der Deutschen Arbeitsfront und der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation Einzug in den ehemaligen Räumen des ADGB. Auf dem Gelände wurde ein Schießstand eingerichtet und unter anderem das Training für den fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz durchgeführt, welcher zum Anlass für den Überfall auf Polen am 1. September 1939 genommen wurde.
Erneut gewerkschaftliches Bildungszentrum
Nach dem Zweiten Weltkrieg blühte das gewerkschaftliche Leben wieder auf: Von 1947 bis 1990 betrieb der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund hier seine Gewerkschaftshochschule „Fritz Heckert" (bis 1951 unter dem Namen „FDGB-Bundesschule Theodor Leipart"). Der 1950/51 unter Georg Waterstradt erweiterte Gebäudekomplex stand ab 1959 auch ausländischen Gewerkschaftsmitgliedern offen. Bis 1990 nahmen über 15.000 deutsche und mehr als 5.000 ausländische Gewerkschaftsmitglieder, insbesondere aus arabischen und afrikanischen Ländern sowie aus Kuba und der Mongolei, am Bildungsangebot der Hochschule teil.
Von der Wende zur UNESCO-Auszeichnung
Nach der Wende von 1989/90 kam das erneute Aus als Gewerkschaftsschule. Das Gebäude wurde geschlossen, zwischenzeitlich von der Treuhand verwaltet und 2001 von der Handwerkskammer Berlin erworben. 2003 bis 2007 wurde eine Sanierung erfolgreich durchgeführt. 2011 gründete die Stadt zusammen mit dem Landkreis Barnim, der Sparkasse Barnim, der Handwerkskammer Berlin und dem Verein baudenkmal bundesschule bernau die Stiftung „Baudenkmal Bundesschule Bernau" mit dem Ziel, die kulturgeschichtliche Bedeutung des Gebäudeensembles weiter zu erforschen. Seit der Wende engagieren sich die Mitglieder des Vereins baudenkmal bundesschule bernau ehrenamtlich dafür, dass der Bau erhalten, saniert und das Wissen um ihn verbreitet wird. Damit konnte er vor der geschichtlichen Bedeutungslosigkeit bewahrt werden. Bis heute bietet der Verein sonntägliche Führungen an und sichert unter anderem mit zahlreichen Publikationen einen breiten Wissensschatz. Teil des historischen Ensembles ist auch das Freibad Waldfrieden, das 2013/2014 für rund 3,9 Millionen Euro wiederhergestellt wurde. Einen großen Teil der Summe übernahm das Land Brandenburg, die restlichen 650.000 Euro kamen aus Bernau. Für rund 600.000 Euro gestaltete die Stadt zudem die Außenanlagen
auf dem Gelände des Bauhaus Denkmals Bundesschule denkmalgerecht.
Mit 1,2 Millionen Euro förderte das
Bundesbauministerium dieses Vorhaben. Die Investitionen zahlten sich
schließlich aus: Im Juli 2017 wurde das
Bauhaus Denkmal Bundesschule Bernau in den Rang eines UNESCO-Weltkulturerbes erhoben.
Aktivitäten im Jubiläumsjahr 2019
Seit 100 Jahren gibt es das Bauhaus in Deutschland, seit 89 Jahren in Bernau. Die Ernennung des Bauhaus Denkmals Bundesschule zum UNESCO-Weltkulturerbe ist Auszeichnung und Aufgabe zugleich: Um die Informationen über den Gebäudekomplex zu bündeln und in einem würdigen Rahmen modern zu präsentieren, entstand das Besucherzentrum Bernau am Hannes-Meyer-Campus.